Back to "Main"    Die Mr. Lee Geschichte



Das Interesse

Ich hatte den Umbau der Kamera auf meiner Technikseite im Internet dokumentiert. Dort zeigte ich dann auch ein paar Ergebnisbilder als meine Frau mit den Kindern nach Deutschland in Urlaub ging. Kurz vor einem langen Wochenende machte ich dann einen folgenschweren Schritt. Ich machte einen Linkvorschlag auf der Webseite www.hackaday.org. Am Sonntag Abend zurückgekehrt schaute ich noch kurz ins Internet. Mich traf der Schlag. Hunderttausend Zugriffe auf die Internetseite, das Postfach voll bis oben hin. Von da an war der Schlaf nur noch spärlich gesät. Am Montag bekam ich eine Anfrage von Spiegel Online bezüglich eines Artikels. Ich war noch erstaunt über das Medieninteresse. Am Dienstag hatte auch mein Provider Tripod mitbekommen, dass da etwas am laufen war. Vermutlich haben 100000 Zugriffe pro Stunde die gesamten Kapazitäten ans Limit gebracht, aber mit der kompletten Löschung meiner Webseiten habe ich nicht gerechnet. Dumm nur, dass ich keine Domain besaß. Alle Zugriffe gingen von nun an ins Nirwana. Ich war fertig, kaum zeigte meine Arbeit etwas erfolg schon wurde ihr einfach der Stecker herausgezogen. In der Nacht telefonierte ich mit meiner Frau. Meine Philosophie war bisher kein Geld für Onlinegeschichten auszugeben. Ich hatte 7 Jahre eine gut besuchte Internetseite ohne Werbung die mich keinen Cent kostete. Was jetzt gebraucht wurde war massive Bandbreite, Speicherplatz und Domain und zwar sofort und ohne Bürokratie. Meine Frau riet mir ein paar Euro zu investieren, der Erfolg konnte ein bisschen kosten (Wahrscheinlich dachte sie dass ich ihr die nächsten Jahren ständig die Ohren volljammere). So rief ich in der Nacht noch bei verschiedenen deutschen Internetanbietern an. Nur Strato konnte mir garantieren (!) dass ich innerhalb von 24 Stunden sowohl eine Domain als auch einen Server zur Verfügung hatte der dem Ansturm von ca. 0.5 Millionen Aufrufen pro Tag standhalten konnte. Ohne Vorabbezahlung und Papierkram. Nach 18 Stunden war das Versprechen eingelöst. Parallel dazu versuchte ich alle wichtigen Links auf die neue, noch nicht aktive, Domain zu korrigieren. Ebenfalls musste der gesamte Internetauftritt überarbeitet werden, so dass die Projektseiten für sich alleine stehen konnten. Kaum war die Domain aktiv schickte ich meiner Frau in Deutschland die Webseiten als ZIP Datei, ich hatte vom Arbeitsplatz keinen Internetzugang. Sie kopierte die Dateien auf den Webserver und schon ging das Leuchtfeuer im Zugriffszähler los. Auch die Mailflut stieg wieder an. Ich weiß nicht wie viele tausend Mails ich in diesen Tagen bekam. Ich arbeitete 9 Stunden am Tag in meiner offiziellen Arbeit und die Nacht durch an Mr. Lees Catcam. Als endlich meine Frau aus Deutschland zurückkam half sie mir mit den Mails.



Die CatCam

Es war ziemlich schnell klar was die Leute wollten: CatCams ! Es war unglaublich, die Leute wollten nicht nur die Bilder sehen, sie wollten für meine Arbeit bezahlen ! Das war eine Würdigung erster Klasse. Noch vor kurzem hatte eine Bekannte vor meinem Schreibtisch gestanden, den Kopf geschüttelt und gemeint mit was für hirnrissigem Zeug ich mich den beschäftigen würde. Nun boten mir fremde Menschen Geld für das "hirnrissige Zeug". Ich habe mich viele Jahre mit technischen Spielereien beschäftigt. Manchmal auch mit dem Gedanken diese zu verkaufen. Nun war meine Stunde gekommen, leider mit unglücklichen Umständen: Im Ausland, einen sowieso schon aufreibenden Vollzeitjob, verheiratet, Kinder, Frau schwanger.
Mir war klar, dass es schwer werden würde. Aber andererseits - so eine Gelegenheit hatte ich nur einmal. Und so viele Leute wollten wohl auch nicht so ein Teil haben. Mit einem hatte ich recht: es wurde schwer.
Man sagt in Amerika ist alles möglich und es stimmt. Mit Leichtigkeit wurde ich vom Privatmann zum Geschäftsmann. Kameras direkt vom Hersteller ? Ein Telefonanruf, ein bisschen verhandeln. In Deutschland unmöglich. Mikrocontroller in hundertfacher Stückzahl bis übermorgen ? In Deutschland vermutlich gleich den Lagerbestand gesprengt, ohne Gewerbenachweis sowieso schon mal nicht. Einzelteile machen leider noch keine CatCam, aber die Ideen für Detaillösungen flossen plötzlich ungehemmt. Man denkt in größeren Dimensionen, das Land prägt die Menschen. In der Zwischenzeit häuften sich Bestellungen. Ein riesiger Artikel im FotoMagazin brachte dann meine Frau auf den Plan, nachdem an einem Tag über 100 Bestellungen eingingen. Wie willst du das schaffen ? Ich schlief vielleicht noch 4 Stunden pro Tag. Sie hatte recht. Was sollte ich tun ? Alles bleiben lassen ? Nein, es gab eine bessere Lösung: ich verdoppelte den Preis. Diese Maßnahme zeigte Wirkung. Endlich war die Schmerzgrenze bei vielen überschritten, aber nicht bei allen. Es tat mir leid für diejenigen die sich eine CatCam schon immer wünschten nun aber nicht mehr das Geld aufbringen wollten. Aber es ging nicht anders. Leider waren die meisten Interessenten keine Techniker, sondern Leute die nicht wussten was in einer Kamera ist. Diese konnten mit den Bauanleitungen die auf den Webseiten gezeigt wurden nichts anfangen. Viele Leute schrieben mir dazu ich solle die Bauanleitungen löschen, die Idee patentieren, selbst alle Gewinne einstreichen. Es war nie meine Absicht mit dem Projekt Geld zu machen, dass was jetzt abfiel wog meine Anstrengungen halbwegs auf. Aber ich wollte den Interessierten nicht den Boden für eigene Projekte entziehen. Ich finde es toll wenn sich plötzlich Menschen mit etwas beschäftigen für das sie bisher kein Interesse hatten (z.B. Frauen und Technik…). Vielleicht habe ich auch ein paar Nachwuchsingenieure geschaffen, wer weiss.



Die Technikkrise

Was einmal funktioniert muss es ein zweites nicht unbedingt tun. Man stelle sich vor es gibt hunderte Leute die eine CatCam haben möchten und man stellt plötzlich fest, dass das was bisher immer funktioniert hat nun nicht mehr geht. So geschehen bei der Softwareentwicklung für die Kamerasteuerung. Ein Britischer TV Sender wollte einen Bericht machen und bat um zwei Kameras. Ich wollte noch ein Feature einbauen was die Verwendung einfacher machte. Die beiden Kameras liefen nicht, was ich zuerst auf den normalen Entwicklungsprozess zurückführte. Aber schnell stellte sich heraus, dass selbst die Originalsoftware nicht lief. Sollte es einen Unterschied zw. Mr. Lee’s Kamera und den anderen geben ? Dies war zweifelsfrei der Fall, aber trotz aller Bemühungen lies sich die Ursache nicht einkreisen. Ich war verzweifelt. In wenigen Tagen wollte ich die ersten lange bezahlten Kameras ausliefern und nun zeigte sich dass die Funktion nur auf Zufallsbasis stattfand ! Ebenso die Britten die extra einen Kurier vorbeischicken wollten. Wieder war es meine Frau die mir zur Seite stand. Von Elektronik keine Ahnung lies sie sich alles mehrfach erklären. Zusammen über dem Assemblercode hängend versuchte ich zu erklären warum es eigentlich funktionieren musste. Um es zu unterstreichen baute ich noch einige Funktionen ein und plötzlich funktionierte es. Technisch völlig unerklärbar. Dafür ging ein ganzes Wochenende Tag+Nacht drauf.



Das PayPal Drama

Ein weiterer Tiefschlag versetzte uns das Ebay Unternehmen PayPal. Da Bestellungen von überall auf der Welt eintrafen entschied ich mich diese „unkompliziert" über PayPal abzuwickeln. Zur Vereinfachung legte ich zwei PayPal Konten an die in verschiedenen Währungen geführt wurden. Unverhofft über Nacht wurden beide Konten eingefroren mit einer stumpfsinnigen Begründung: Potentiell riskante Vorgänge. Mit der Sperrung waren wir nicht nur über Nacht nicht mehr arbeitsfähig, sondern auch das gesamte Finanzierungsvolumen nicht mehr verfügbar. Hier ging es nicht um zwei Tüten Erdnüsse sondern um grob 8000 Euro. Die Bestellungen wurden dann über Vorfinanzierung abgedeckt, um das Problem nicht noch größer werden zu lassen.
Während schließlich ein Konto nach massiven Nachfragen und Drohung mit der US Verbraucherschutzbehörde nach zwei Wochen wieder aktiv war musste ich auf das Hauptkonto 5 Wochen warten und unzählige Euros in der Hotline von PayPal zurücklassen. Eine Forderung nach Verzinsung wurde ebenso ignoriert wie der Hinweis dass alle angefragten Unterlagen bereits schon mehrfach vorgelegt wurden. Seitdem bieten wir PayPal nur noch auf Wunsch der Kunden an.



Medien oder die Abgründe von Stern TV

Das Medieninteresse stieg kontinuierlich. Erst Zeitungen, dann Radio, Zeitschriften. Und plötzlich das Fernsehen (RTL, SAT1, ARD, ZDF). Ich war froh in den USA zu sein, den meisten Sendern war es zu weit her zu kommen. In Deutschland wäre ich vor die Hunde gegangen, zu viel plötzlicher Ruhm - nicht mein Ding. Eigentlich war es ja auch keine besondere Leistung - einer Katze eine Kamera umzuhängen. Ich denke immer wieder erschrocken was ich hätte tun müssen um so in die Medien zu kommen. Meine Familie abschlachten ? Das hätte vielleicht für einen 3 Zeiler unter "Sonstigem aus aller Welt" geführt. Aber keine Doppelseite in der FAZ !
Der Umgang mit den Medien war durchweg freundlich, bis auf Stern TV. Es fanden lange Informationsrunden statt, dann wurde ein Drehtermin in den USA vereinbart. Das Medienunternehmen wollte mit einem Mitwirkungsvertrag knebeln, sozusagen das Exklusivrecht auf die Erstausstrahlung sichern. Als ich darauf nicht einging, wurde mit irgendwelchen Begründungen der Drehtermin verschoben und ich warm gehalten. Irgendwann kam mir dann zu Ohren dass Stern TV ihr eigenes Ding mit der CatCam durchgezogen hatte. Gefakte Videoaufnahmen, etc. Kein Wort von Mr. Lee oder mir. Das ich etwas enttäuscht war ist zu verstehen, erst recht dass gerade ein Sender aus meinem Heimatland so agierte. Ich schrieb an die Kontaktperson von Stern TV dass ich zumindest eine Erwähnung des Urhebers der Idee auf den Webseiten sehen möchte. Die Antwort kam prompt – von der SternTV Anwaltskanzlei. Seitdem bevorzuge ich eher den Kontakt mit öffentlich rechtlichen Sendern.




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